Spät(pubertär)e Erfüllung eines Traums...

Rot ist das schwarz für Mutige - und Sicherheitsfreaks
Rot ist das schwarz für Mutige -
und Sicherheitsfreaks

Manchmal ist es gar nicht unpraktisch, einen älteren Bruder zu haben. Der hat nämlich die Eltern dann schon soweit "erzogen" oder resignieren lassen, dass man dann später vieles widerstandslos darf, was er sich noch hart hatte erkämpfen müssen. Beispielsweise Motorrad fahren. Als ich 1985 meinen Führerschein in Angriff nahm und neben dem Klasse 3 auch den 1 gleich mitmachen wollte, gab es gar keine Diskussion. Meine Mutter meinte ganz pragmatisch:

"Ist besser, wenn Du den jetzt gleich machst, als wenn Du später mit irgendwelchen Kumpels losziehst, es passiert was und Du hast keinen Führerschein gehabt."

War dem zu wiedersprechen? Nur konnte ich mir damals als schüchterner Jüngling in gutbürgerlichem Umfeld überhaupt nicht vorstellen, was das für Kumpels sein sollten und wo ich die hätte kennenlernen können...

Nach 18 Fahrstunden und einmal durchgefallen bekam ich am 27. August 1985 den begehrten "Lappen". An ein eigenes Krad war dann allerdings nicht zu denken, weil ich Student und froh war, mir vom kargen Hiwilohn wenigstens einen rostigen alten Passat leisten zu können. Meines Bruders dunkelrote Yamaha XS 360 habe ich ein- oder zweimal bewegt - mit geliehenem Helm und seiner mir viel zu großen, tonnenschweren Lederjacke. Mein Führerschein von Anno 1985 Dann verunglückte einer seiner Arbeitskollegen schwer, und er wollte nicht daran schuld sein, wenn mir als Anfänger etwas ähnliches mit seiner Maschine widerfahren würde. Also hat er sein schönes Mopped einfach ganz schnell verkauft. Das war dann das rasche Aus meiner "Motorradfahrerkarriere", bevor sie überhaupt begonnen hatte. Die Jahre gingen ins Land, und an eine Wiederauflage glaubte ich eigentlich nicht mehr wirklich.

Im Jahr 2000 fand ich dann doch noch tatsächlich einen der von meiner Mutter so weise prophezeiten Kumpel: An der TU Braunschweig lernte ich Harald kennen, den ich mit auf die Idee brachte, vom 50er Roller doch noch auf ein richtiges Motorrad umzusteigen (und selbstredend dafür den Schein zu machen). Bald nach seiner Prüfung traf ich ihn zufällig in der Braunschweiger City mit seiner neuen Maschine, einer Yamaha XJ 600 S Diversion. Ich durfte mich mal draufsetzen - und da lief es mir richtig schon kalt den Rücken runter. Es war Jahre her und doch alles so vertraut wie gestern: Schaltung links unten, Kupplung und Blinker linker Griff, Gas, Vorderradbremse, E-Starter rechts, und mit dem rechten Fuß ertastete ich die Hinterradbremse...

Vor der ersten Alleinfahrt nach 16 Jahren
Vor der ersten Alleinfahrt nach 16 Jahren

Es dauerte dann aber noch bei Juni 2001, bevor wir zu unserer ersten gemeinsamen Spritztour aufbrachen. Als es konkret wurde, besorgte ich mir erst einmal einen ordentlichen Helm und das allernötigste an Schutzausstattung. Wir fuhren die für Biker aus unserer Region klassische Hausstrecke durch Reitlingstal in den Elm, dann bog Harald auf den Parkplatz am Tetzelstein ein. Dort, wo einst ein pfiffiger Mönch namens Tetzel Ablaßbriefe selbst für noch gar nicht begangene Sünden an (leicht)gläubige Leute verhökert haben soll, begann nun mein Auffrischungstraining. Mit dem Anfahren klappte es trotz der für meine Verhältnisse üppigen Motorisierung von 61 PS eigentlich gleich ganz gut. Das Schalten und das Kupplungsspiel waren beim Langsamfahren aber noch ungewohnt. Aber es war doch ein Anfang nach all den Jahren. In der Folgezeit versuchte Harald immer wieder, mir den Kauf einer eigenen Maschine näher zu bringen. Auch ließ er mich eines Tages mal eine Runde allein über die Dörfer drehen. Doch mir war der Mond immer noch zu neu. Erst als er selbst zwei Jahre später auf eine größere Maschine umsteigen wollte und die "kleine Diva" nun übrig war, habe ich nach längerem Hin- und Herüberlegen "Ja!" gesagt. Seit 17. Juni 2003 bin ich nun Fahrer eines eigenen Motorrads. Verguckt in die dunkelgrüne Schönheit hatte ich mich doch sowieso schon beim allerersten Mal...

Nachdem ich mich beim Abholen der Maschine schon nach wenigen Metern auf die Seite gelegt hatte und nur mit Bangen und beschädigtem Blinker nach Braunschweig nach Hause zurückgefahren war, gönnte ich mir lieber eine Doppelstunde freiwillige Nachschulung. Ich hatte dabei ein Riesenglück mit meinem Fahrlehrer aus der Nachbarschaft, und am Ende hatte ich nicht nur Zutrauen zur Maschine gefasst, sondern wir beide hatten auch unseren Spaß. Schon nach ganz kurzer Zeit war meine Diva ein ganz selbstverständlicher Teil des Alltags geworden. Alltag? Ja, sie wurde eindeutig mein "Einspur-Kleinwagen", und wenn ich nicht gerade Getränkekisten oder Dachlatten fahren musste, reichten die Seitenkoffer allemal.

Meine zwei Diven
Meine zwei Diven

Nun fehlte nur noch eines, um meinen Jugendtraum vollkommen werden zu lassen: Eine Sozia, denn wozu hätte ein Motorrad sonst eine Doppelsitzbank? Meine Freundin Silke stellte als Bedingung, dass ich vorher erst einmal ein Sicherheitstraining absolvieren solle. Nachdem ich das noch Mitte September 2003 erfolgreich hinter mich gebracht hatte, löste sie ihren Teil der Abmachung ein. Aller Anfang ist schwer, aber die Begeisterung fürs gemeinsame Biken kam dann doch überraschend schnell. Nun musste auch rasch Helm und Lederkombi nach ihren ganz speziellen Wünschen gefunden werden. Für jemanden, der nach eigenem Bekunden nur ganz gelegentlich mal mitfahren wollte, war sie bald ganz exquisit ausgestattet. Vorsorglich hatte ich schon ihre Initialen und die "1" für das Nummernschild gewählt. Man weiß ja nie, zumal die Diva als typisches Einsteiger- oder Frauenmotorrad gilt...

Meine Holde ist gleichwohl bis heute "nur" Sozia ohne erkennbare eigene Ambitionen, selbst zu fahren, obwohl ich das sehr begrüßen würde und wir uns das Mopped gern auch teilen könnten. Aber ich will sie nicht drängen, und auf der extra für sie durch Aufpolsterung um 5 cm und Anbringung der "Pizza-Box" mit Rückenlehne zur Goldwing-ähnlichen Sitzgelegenheit aufgewerteten Position auf dem Bike macht sie eine ausgesprochen gute Figur. Von ihren Qualitäten als Tourenplanerin und Navigatorin (wozu braucht man GPS?) einmal ganz zu schweigen.

Gemeinsames Touren kann sehr entspannend sein - so sehr, dass es das gerade gefundene Bikerglück zu zweit auch rasch wieder beenden kann. Zu dieser Erkenntnis brachte uns unsere Himmelfahrtstour 2005, die neun Monate später zur Geburt unserer Tochter führte. Jetzt mit Kind ist das gemeinsame Touren natürlich vom Organisatorischen her schwieriger geworden. Ich gehöre auch nicht zu der Sorte Mann, die einfach ihr Motorradhobby egoistisch weiterbetreiben und am Wochenende Frau und Kind ganze Tage allein zu Hause lassen wollen. Wir denken deshalb gerade mit einigen anderen Biker(inne)n hier aus Braunschweig und Umgebung über gemischte Mopped-Auto-Ausflüge nach, bei denen man sich dann an einem bestimmten Punkt trifft und dort "in Familie" etwas unternimmt. Auf jeden Fall soll das Bike in der Familie bleiben und vielleicht eines Tages auch mal das Töchterchen tragen. Dann müssen die beiden Mädels Hölzchen ziehen, wer mitdarf...

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