Die Technische Nothilfe im "Dritten Reich"

TN-Emblem,1935
TN-Emblem, 1935

Die Führungsspitze der Technischen Nothilfe verfolgte nach der nationalsozialistischen "Machtergreifung" 1933 eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite wurde der Organisation die totale Anpassung an das neue Regime verordnet, was den meisten ohnehin zumindest konservativen TN-Funktionären nicht sonderlich schwer gefallen sein dürfte. Auf der anderen Seite mußten die neuen Machthaber von der Unentbehrlichkeit der Technischen Nothilfe überzeugt werden, denn das Beispiel anderer deutschnationaler oder konservativer Verbände (z.B. des Wehrverbands "Stahlhelm") hatte gezeigt, daß eine rechte Gesinnung durchaus keine Gewähr dafür bot, einer Auflösung oder Assimilation durch NS-Verbände zu entgehen.

Da Streiks inzwischen generell verboten waren, stellte die TN den technischen Katastrophenschutz und vor allem den Luftschutz vollkommen in den Vordergrund ihrer Arbeit. Sie nutzte ihre Chance, sich vor den NS-Organisationen als betont antikommunistische Fachorganisation zu profilieren. Gleichzeitig übte sich die TN im öffentlichen Schulterschluß mit SA und SS. So kam es zu einer Form von "Leben und Lebenlassen": Bei Aufmärschen, Kundgebungen und Fackelzügen der NSDAP waren Nothelfer immer häufiger in geschlossenen Gruppen vertreten, gratulierten Hitler zum Geburtstag oder skandierten Parolen gegen den "Schandfrieden von Versailles".

TN-Dienstbekleidung, 1936
TN-Dienstbekleidung, 1936

Dafür ließen sich beispielsweise SS-Männer von der Technischen Nothilfe in den Behelfsbrückenbau einweisen, und SA-Trupps drängten sich geradezu auf, bei Luftschutzübungen von Feuerwehr, TN und DRK Hilfspolizei spielen zu dürfen. Diese Politik der TN-Führung gegenüber der NSDAP zahlte sich rasch aus: Neue, am 19. Oktober 1933 erlassene Richtlinien und Hitlers persönlich der TN zum 15. Gründungstag am 30. September 1934 ausgesprochene Anerkennung für die bisher geleistete Arbeit kamen einer Bestandsgarantie als selbständige Organisation gleich. Gleichwohl wurde der Gründer und langjährige Vorstand der TN, Otto Lummitzsch, 1934 durch den SA-Gruppenführer Hans Weinreich ersetzt.

Die 1. Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz bestätigte der TN 1937 in aller Form die "Sonderaufgabe des Instandsetzungsdienstes im Luftschutz". Gleichzeitig setzte Himmler alles daran, die TN schrittweise von einem eingetragenen Verein in eine technische Hilfspolizeitruppe umzuwandeln. Diese Entwicklung fand ihren Abschluß mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Technische Nothilfe vom 25. März 1939. Die Zusammenarbeit mit der SA gehörte zu dieser Zeit längst der Vergangenheit an; die TN umwarb nun die Feuerwehren, mit denen sie im kommenden Krieg "Schulter an Schulter und mit gleichen Rechten und Pflichten [...] das technische Rückgrat des Sicherheits- und Hilfsdienstes" bilden sollte. Intensive Kontaktpflege betrieb man auch zur Wehrmacht, in deren Gefolge schon bei der Besetzung des Sudetenlandes TN-Kommandos in Aktion traten.

In den Ortsgruppen ging der normale Dienstbetrieb weitgehend seinen gewohnten Gang, und mit der Zeit, als der Bestand der TN nicht mehr gefährdet schien, wurde auch die Mitwirkung an politischen Kundgebungen wieder auf ein von den Machthabern gerade noch toleriertes unteres Maß zurückgeführt. Hilfspionierabteilungen (= Katastrophenschutz) übten den Bau von Trümmerstegen, die Menschenrettung aus zerstörten Häusern und das Schanzen von Deckungsgräben. Zu diesem Zweck entwickelte und erprobte man 1937-39 auch den "Motorisierten Bereitschaftszug".

Motorisierte Bereitschaftszüge der TN auf dem Hof der Firma Metz/Karlsruhe, 1939 (Foto: Fa. Metz)
Motorisierte Bereitschaftszüge der TN auf dem Hof
der Firma Metz/Karlsruhe, 1939 (Foto: Fa. Metz)

Nachrichtenstaffeln erprobten im Gelände den Einsatz der noch sehr einfachen, oft optischen Übermittlungsverfahren. Der Technische Dienst wurde direkt in den städtischen Versorgungsbetrieben ausgebildet in Betrieb und Reparatur der dortigen Einrichtungen. Im Zusammenwirken mit Feuerwehr und DRK probte der Gas- und Luftschutzdienst den Kriegseinsatz nach Bombenangriffen und beteiligte sich auch an der Selbstschutzausbildung der Bevölkerung. Man bemühte sich dabei, die Hilfeleistung nach dem Vorbild der Feuerwehren zu professionalisieren.

Bei Kriegsbeginn wurde die Technische Nothilfe gewissermaßen in zwei Hälften geteilt: Die jüngeren wehrpflichtigen Nothelfer hatten beim Polenfeldzug und 1940 in Frankreich in den besetzten Gebieten für die Instandsetzung und den Notbetrieb eroberter lebenswichtiger Betriebe zu sorgen. Die Älteren und nicht Frontdienstverwendungsfähigen blieben an ihren Heimatstandorten, um dort den Kern des Instandsetzungsdienstes im SHD zu bilden. 1941 wurde der wehrpflichtige Teil der Nothelferschaft in die Wehrmacht übernommen und war somit nicht mehr für den zivilen Luftschutz verfügbar.

Die Ortsgruppen waren durch den Abzug der jüngeren Helfer meistens viel zu klein geworden waren, um die Luftschutzeinheiten ausschließlich mit eigenem Personal auffüllen zu können. Deshalb sollten körperlich und fachlich geeignete Kräfte als Ergänzung notdienstverpflichtet werden. Facharbeiter, Meister und Ingenieure waren aber auch andernorts sehr begehrt, weshalb nicht selten Unabkömmlichkeitsstellungen durch Rüstungsbetriebe oder Einberufungen zur Wehrmacht einer Mitwirkung im Instandsetzungsdienst entgegenstanden. Da auch die anderen Fachdienste - insbesondere der  Feuerlöschdienst - auf das knappe Reservoir der zur Verfügung stehenden Kräfte zurückgreifen mussten, waren die Einheiten des Instandsetzungsdienstes in der Regel unterbesetzt, hoffnungslos überaltert und mit zu wenig qualifiziertem Personal ausgestattet. Eine Lückenbüßerlösung wie die Feuerwehr-HJ, in der Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren die regulären Löschmannschaften verstärkten, gab es für die TN und den Instandsetzungsdienst nicht. Im Mai 1945 wurde die TN - bzw. das, was von ihr übriggeblieben war - von den Alliierten als Organisation aufgelöst.

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